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ALBUM OF THE WEEK ON RBBKULTUR
REVIEW & PODCAST


Wiedersehen macht Freude

“… Nach der Pause stand dann der Konzertflügel bereit und die durchaus berechtigte Frage im Raum, wie wohl die ambitionierten Amateure und der Vollprofi an den Tasten harmonieren würden. Denn auf dem Programm stand das Klavierkonzert in a-Moll von Robert Schumann (op. 54). Dabei liefert das Orchester keineswegs nur die klangliche Dekoration für einen Klaviervirtuosen, sondern die Beteiligten musizieren über lange Strecken auf Augenhöhe.

Um es vorweg zu nehmen: Das Wagnis glückte. Jiang spielte sich von Anfang an mit kraftstrotzender, hochromantischer Expressivität in das Konzert hinein. Doch er blieb bei aller solistischer Brillanz stets ein achtsamer Interpret, der viel Blickkontakt mit dem Dirigenten und dem Orchester hielt, um sich dann blitzschnell wieder in seine begeisternde Schumann-Interpretation zu versenken. Jiang gab - auch dynamisch - zweifellos den Ton an. Doch Herrmann und sein wackeres Ensemble konnten (fast) zu jedem Zeitpunkt mithalten und verstanden es, die für das Orchester bestimmten Akzente auch vernehmlich zu setzen. Insbesondere der zweite Satz bot dazu reichlich Gelegenheit, während der Schlusssatz mit seiner bisweilen sehr engen und flotten Verzahnung von Solisten- und Orchesterpart der Beteiligten nochmals viel abverlangte. Sofort nach den finalen kraftvollen Tutti und dem Schlussakkord im Paukenwirbel, entlud sich im Publikum stürmischer Applaus mit zahlreichen Bravo-Rufen …”

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (08/2023)
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SWR2 Musikstück der Woche

Tchaikovsky: Nussknacker-Suite op. 71a

Christiana Nobach, SWR2 (12/2022)
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Schäumende Virtuosität

“… Den kompletten ersten Teil des Konzerts nahm ”Schéhérazade" ein. Diese von der Märchenwelt aus 1001 Nacht inspirierte sinfonische Dichtung hat von Nikolai Rimski-Korsakow 1888 eigentlich für Orchester geschrieben. In der Klavierversion arbeiteten Jiang und Giovannini quasi den existenziellen Kern der orientalischen Geschichten heraus. Von Anfang an beeindruckte dabei die enge, perfekte Abstimmung zwischen den Musikern und ihre hochvirtuosen, sehr ernsthaften Interpretationen, die die beiden schon bei ihrer ersten gemeinsamen CD-Veröffentlichung “Philia" unter Beweis gestellt haben. Erschienen ist diese EP bei Jiangs eigenem Label Anclef, das der Musiker während der Corona-Pandemie gegründet hat. Ein komplettes Album mit Klavierstücken zu vier Händen wollen die zwei Pianisten im kommenden Tahr veröffentlichen. Der Auftritt in Kaufbeuren machte - nicht nur bei Rimski-Korsakow - in jedem Fall Appetit auf viel mehr … Nach der Pause wechselten Jiang und Giovannini nicht nur die Seiten am Klavier, sondern auch den Schauplatz ihres pianistischen Parforceritts. Ottorino Respighis (1879 bis 1936) sinfonische Dichtung “Fontane die Roma” über vier Brunnen in der Ewigen Stadt stand auf dem Programm - wiederum eigentlich für Orchester komponiert, wiederum am Klavier vollumfänglich wiedergegeben. Respighi vertonte freilich nicht nur das vordergründige Plätschern, Fließen und Rauschen der Wasserspender, sondern vielfältige, tiefe Gefühle, die er damit verbunden hat. So kosteten die Interpreten durchaus die fluiden, perlenden, trillergesättigten Läufe aus, gingen aber auch gründlich in die Tiefe, ja bis auf den Grund. Am Ende schuf Jiang mittels eines kleinen Beckens sogar die Illusion des in Rom omnipräsenten Klangs der Kirchenglocken. Zum Finale erklang dann Maurice Ravels (1875 bis 1937) “Rapsodie espagnole". Trotz aller iberisch-orientalischen Anklänge, die durchaus einen Kreis zu Rimski-Korsakow schlossen, gehen deren vier Sätze deutlich weiter. Die spanische Musiktradition wird assoziativ, aber auch expressiv in die Moderne überführt - und das taten die Pianisten mit Leidenschaft, verblüffendem Können und wiederum mit Freude. Am Ende gab es für die Musiker tosenden Applaus und etliche Bravo-Rufe und für die Zuhörer - quasi zur Erholung - einen herzhaften, aber doch filigranen “Blumenwalzer" von Peter Tschaikowski.”

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (10/2021)
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Hochgestimmte Erwartungen erfüllt

“Zwanzig Finger auf 88 Tasten - das ergibt eine unendliche Breite an Ausdrucksmöglichkeiten. Um eine solche wahrzunehmen, war am Donnerstag eine stattliche Besucherzahl in die Jahnhalle zum Konzert des Kulturvereins Geislingen gekommen. Und das junge Pianistenduo Jacopo Giovannini und Yi Lin Jiang vermochte es, mit seinen Darbietungen auch hochgestimmte Erwartungen zu erfüllen. Im doppelten Sinne märchenhaft eröffneten sie die Vortragsfolge mit “Shéhérazade" op. 35 von Nikolai Rimsky-Korsakov. Zum einen bildete die Geschichte von den Märchen aus I001 Nacht den Rahmen für die viersätzige Suite. Zum anderen machte das Duo daraus eine mitreißende Erzählung. Zunächst wurde mit einem Bass-Schlag die Figur des grimmigen Sultans eingeführt, dem mit einer lieblich-besänftigenden Melodie die Antwort der Shéhérazade folgte … Der aus dem Baskenland stammende Franzose Maurice Ravel besaß eine große Neigung zur Musik aus dieser spanisch-französischen Grenzregion. Das zeigt sich unter anderem in seiner folkloristisch grundierten „Rapsodie espagnole". Ein penetrantes Motiv, in vier Tönen absteigend, kennzeichnete nicht nur den ersten Satz „Prélude à la nuit", sondern zog sich weiter durch das Werk, in welchem die Pianisten ein vielseitig schillerndes Spanienbild schufen. Da wirkte manches fröhlich, die Habanera wiederum strahlte eine fast bedrohliche Spannung aus, und eine Art Kirmesmusik sorgte für einen turbulenten Abschluss. Für den begeisterten Applaus bedankten sich die sympathischen Künstler mit dem Blumenwalzer aus Tschaikowskis Ballett „Der Nussknacker".”

Ulrich Schlecht, Südwest Presse (04/2022)
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Ganzheitlich gegensätzlich

“ … Dieses begann mit drei Klavierfassungen von Kunstliedern aus der Feder von Robert Schumann, die Clara Schumann komponiert hat. Sehr behutsam, aber bisweilen auch ausdrucksstark mitfühlend interpretierte Jiang “In der Fremde“, “Mondnacht“ und “Widmung“. Was dann folgte, verblüffte in vielerlei Hinsicht und war doch stimmig. “Carnaval“ (op. 9) ist eine flotte Aneinanderreihung von rund zwei Dutzend kurzen Charakterstücken, die Besucher eines Maskenballs beschreiben. Dabei geht es musikalisch fast durchweg witzig, pointiert und augenzwinkernd zu. Gewagte Sprünge, dynamische Voten und sonstige kompositorische Finessen vermitteln eine Heiterkeit, die man so gar nicht mit der hochromantisch-pathetischen Klangsprache des späteren Robert Schumann in Verbindung bringen will. Jiang genoss sichtlich die oft deftigen Passagen, die jedoch trotz oder gerade wegen allen Frohsinns enorme spieltechnische Anforderungen aufweisen.

Nach der Pause dann wieder tiefste Innigkeit: Geradezu hingehaucht erklang das erste von “Drei Intermezzi“ (op. 117) von Johannes Brahms, bevor sich in den weiteren Sätzen die Emotionen intensivierten und zunehmend verdüsterten. Dabei war Jiang genauso beherzt bei der Sache wie beim “Carnaval“. Doch diesmal setzte er seine enorme Energie in die Gestaltung des introvertierten, grübelnden und trauernden Grundtons des Werkes. Das Wechselbad der Gefühle rundete Beethoven ab, und zwar kein geringeres Werk als seine letzte Klaviersonate (Nr. 32, op. 111). Jiang ging auch diesen Kraftakt mit beeindruckender Energie an. Im “Maestoso“ ließ er bei forschem Tempo kaum eine dramatische Schärfe aus. Die “Arietta“ mit ihrem unvermittelt heiteren, fast an Boogie-Woogie erinnernden Mittelteil, gestaltete Jiang nicht plakativ, aber doch so, dass sie bestens zu diesem Abend der Gegensätze passte …”

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (10/2021)

Vier Hände, ein Genuss

Yi Lin Jiang und Jacopo Giovannini eröffnen mit einem fulminanten Klavierabend die „Zwischen-Zeit“ des Kulturrings

“Nach und nach tastet sich das Kulturleben aus dem coronabedingten Kahlschlag heraus. Ein wichtiges Zeichen dafür war der Start der neuen Saison des Kulturrings Kaufbeuren. Die steht zwar aus gutem Grund unter dem Motto „Zwischen-Zeit“. Aber der Klavierabend zu Auftakt markierte doch so etwas wie einen wieder möglichen Normalbetrieb. Und der bedeutet: nur etwa 50 Zuhörer im Stadtsaal, Bestuhlungsinseln mit viel Abstand, keine Pause, keine Bewirtung und damit auch kein unmittelbarer Austausch über das Gehörte. Yi Lin Jiang und Jacopo Giovannini präsentierten zwei identische, präzise auf 60 Minuten getrimmte Kurzkonzerte um 18 und 20 Uhr - also mit zeitlichem Sicherheitsabstand. Gut, dass zumindest auf der Bühne alles seine gewohnte Ordnung und den großen Reiz des Professionell-Authentischen bot. Giovannini und Jiang erwiesen sich als Garanten von internationalem Format und großer Virtuosität. Für den Kaufbeurer Jugendkulturpreisträger Yi Lin Jiang war der Auftritt zugleich eine Art Heimspiel. 

Erarbeitet hatten die beiden Pianisten ein märchenhaftes Programm. Dabei boten sie neben der nötigen technischen Brillanz und der authentisch gestaltetet Innigkeit auch eine selten zu beobachtende Symbiose an den Tasten - optisch wie akustisch. Märchen im eigentlichen Sinne, basierend auf der Sammlung Charles Perrault aus dem Jahr 1697, standen programmatisch Pate für Ravels bekannten und beliebten Zyklus „Ma mère l’Oye“ („Mutter Gans“), der zwischen 1908 und 1911 entstanden ist. Dieser stand am Anfang des Rezitals, bei dem Jiang die Position des „Primo“ einnahm. Beide Pianisten agierten in der „Dornröschen“-Pavane und dem „Kleinen Däumling“ atmosphärisch dicht und intensiv, spürten sacht und konzentriert den Klängen nach und intonierten - auch was die Bewegung der Köpfe und Körper anging - aus einem Guss. Eine sehr besondere Form der mal Gegen-, mal Parallelbewegung war das zu beobachten. Fern jedes kontrapunktisch akademisch-strengen Regelwerks, sondern zutiefst in der ausgehenden Romantik und im Impressionismus verankert. Das setzte sich konsequent fort in der „Grünen Schlange“ mit dezent versprühten Chinoise-Farben, in den klar umrissenen Charakteren bei „Die Schöne und das Biest“, aber auch im allgemein zauberhaften Klangambiente des Schlusssatzes „Der märchenhafte Garten“.

Auch in den Variationen von Johannes Brahms über ein Thema von Robert Schumann in Es-Dur op. 23 setzten die beiden Pianisten diese künstlerische Nähe fort und schöpften dabei kraftvoll und facettenreich das romantische Ausdrucks- und Verarbeitungspotenzial aus. Dabei wurde deutlich, wie weit sich die Komponisten im 19. Jahrhundert von der auch im Barock sehr beliebten Form der Variationsfolge im Sinne einer Weiterentwicklung entfernt hatten: ein Hörerlebnis zwischen leichtgängiger Tändelei und energiegeladen-orchestralem Klang. 

Tchaikovskys „Nussknacker“-Suite (op. 71a) schließlich bildete den grandiosen, klanglich deliziösen und bestens bekannten Schlusspunkt des Konzert-Programms. Dafür hatten die beiden Pianisten dann auch die Positionen am Flügel getauscht. Das Publikum folgte den teils artifiziell-zauberhaft, teils quirlig-skurril, teils ungestüm-wild umgesetzten Sätzen bis zum drehfreudig, fast entfesselten „Blumenwalzer“ geradezu mucksmäuschenstill. Es folgte ein dankbar-begeisterter Schlussapplaus. Noch einmal einen Zahn zu legte das Pianistenduo in zwei Zugaben aus den „Ungarischen Tänzen“ von Brahms. Dabei spielten Jiang und Giovannini hörbar gelöster und befreiter auf.”

Lucia Buch, Allgäuer Zeitung (09/2020)

Abschied im Sonnenschein

“Wegen der Corona-Pandemie droht fast in Vergessenheit zu geraten, dass sich heuer der Geburtstag eines Musikgenies zum 250. Mal jährt: Ludwig van Beethoven. Vieles, was zum Jubiläum geplant war, musste verschoben werden. Doch in Bad Hindelang hat nun ein erstes Klaviersoloprogramm dem Meister Reverenz erwiesen: Pianist Yi Lin Jiang, Assistent von Ewa Kupiec und bereits selbst Dozent an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, krönt seinen Auftritt im mit 100 Personen ausverkauften Kursaal mit Ludwig van Beethovens letzter Klaviersonate in c-Moll, op. 111. Sie wird als ein Werk des Abschieds gedeutet, strotzt aber vor Lebenskraft. So deutet zumindest der in Kaufbeuren aufgewachsene Pianist mit chinesischen Wurzeln diesen Meilenstein der Klavierliteratur. Wie auch in anderen Spätwerken zeigt sich Ludwig van Beethoven darin als kühner Experimentator, der tradierte Formen sprengt und neue sinnstiftende Komplexe erfindet. Zwei gegensätzliche Sätze ergänzen sich in diesem Werk: Ein erster knapper komprimiert gleichsam das Leben mit seinen unterschiedlichen Stimmungen, ein zweiter großdimensionierter lotet es tiefgründiger aus und weist den Weg in eine ungewisse Ferne. Dieser zweite Satz beginnt mit einer schlichten Arietta, der dann Variationen folgen. Yi Lin Jiang betont die Einfachheit des Gesanges, der den Ausgangspunkt einer langen musikalischen Entwicklung bildet. In dieser erhält das Material immer mehr Lebendigkeit und Schwung, wächst zu immer gewaltigerer Klangfülle an. Solch unbeschwerter und kraftvoller Feier des Lebens folgen nachdenkliche Momente, die immer mehr Tiefe gewinnen. Eine weite Ausdruckspalette zwischen dunkel raunenden Momenten und verspielt lichten, fast schwerelosen Figuren breitet sich aus. Verzierungen wie Triller erhalten drohend anschwellend oder sirenenhaft verführend inhaltliches Gewicht. Wohin locken sie? In eine offene Weite, die nur zart und leise angedeutet wird.

Solch komplexem Spätwerk setzt Yi Lin Jiang zwei weitere voran: die vorletzte Klaviersonate in A-Dur von Franz Schubert und die Polonaise-Fantaisie von Frédéric Chopin. Diese letzte große Klavierkomposition Chopins nutzt der Pianist, um seine sensible Anschlagskultur unter Beweis zu stellen. Das Stück ist ein ausgedehntes Panorama feinster Klangmalerei, in dem rhythmisch-tänzerische Motive nur wie Momentaufnahmen aufblitzen. Darin zeigt sich Chopin als Vordenker und Wegbereiter feinsinniger Klangzauberer, wie sie dann erst Jahrzehnte später Konzert- und Opernbühnen betreten werden.

Nur wenige Wochen vor seinem Tod hat der schwer erkrankte Franz Schubert die Sonate in A-Dur, D 959, komponiert. Dennoch ist sie ein über weite Strecken sehr optimistisches Stück geworden. Yi Lin Jiang deutet sie aus der Sicht eines jungen Mannes: Unbeschwert, ja stürmisch zieht er im ersten Satz seines Weges dahin, ein melodiöses Lied auf den Lippen, das immer wieder zu poetischen Gedanken findet. Die gute Laune und den Sonnenschein vermag nichts zu trüben. Der zweite Satz bringt scheinbar den Umschwung: Wie ein Trauermarsch hebt er an, mit einer langsam schreitenden, lastenden Melodie. Die Gefühle überstürzen sich, brechen plötzlich wie ein Unwetter herein, entwickeln aber auch reinigende Kraft: Als die Eingangsmelodie wiederkehrt, hat sie alles Lastende, Bedrückende verloren. Nur noch wie Donner und Blitz aus der Ferne grummeln und flammen dramatisch geschärfte Figuren auf. Dem fast übermütigen Scherzo folgt ein beschwingtes Finale. Doch unvermittelt überziehen Schatten die Fröhlichkeit. Und diese Stimmungsmörder schlagen am Ende unbarmherzig zu. Wo ist der Optimismus geblieben? Er wurde niedergeschmettert von der Wucht des Schicksals.

Am Ende dieses überaus gehaltvollen Konzertes erheben sich die Zuhörer begeistert von ihren Plätzen und applaudieren im Stehen: Ein Nocturne von Chopin und ein Intermezzo von Brahms erklingen als Zugaben. Der Erlös des Konzertes kommt den Fördervereinen für Naturkindergarten und Grundschule sowie dem Skiverein Hindelang zugute, erklärt Kurdirektor Max Hillmeier. Und Organisator Eckehard Mädrich dankt allen Sponsoren, die dieses Kulturereignis erst möglich gemacht haben, – und allen Helfern, die die Schutzmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie geradezu mustergültig umgesetzt haben.”

Klaus Schmidt, Allgäuer Anzeigeblatt (07/2020)

Rasende Romantik

“… Nach der Pause steigerte Yi Lin Jiang am Klavier das Klangerlebnis noch weiter: Komplett auswendig brachte er zunächst das fünfsätzige, auf Märchenmotiven basierende Werk “Ma mère l’Oye“ von Maurice Ravel zu Gehör. Ein wunderbarer, technisch wie gestalterisch bravouröser Parforceritt auf den Tasten, bei dem der Pianist im wahrsten Sinne des Wortes alle Hände voll zu tun hatte. Schrieb Ravel seine “Mutter Gans“ doch zunächst für vier Hände. Das Stück bot einen ganzen atmosphärischen Reigen aug. Teils dunkel und introvertiert den Motiven nachspürend, teils flirrend-pointilistisch den den Impressionismus perfekt in Musik übertragend.

Schlusspunkt war Robert Schumanns Fantasie in C-Dur (op. 17). Yi Lin Jiang lieferte ein ausgefeiltes Psychogramm dieser widersprüchlich-komplexen Komponistenpersönlichkeit mit pathologischen Anteilen. Er führte seinen Anschlag mit großer Tiefenschärfe aus, pendelte mit teils abrupt wechselnden Umschwüngen zwischen Feuerwerk und Intimität …”

Lucia Buch, Allgäuer Zeitung (03/2020)

Große Gefühle

Der Gastgeber schöpft aus dem Vollen

“Schwere Kost noch vor dem Mittagessen servierte Gastgeber Yi Lin Jiang zum endgültigen Abschluss seines Klavierfestivals gestern Vormittag im Pianofactum-Flügelraum. Die allein von ihm gestaltete Konzertmatinee im fast vollbesetzten Veranstaltungssaal bot große Gefühle und große Namen - gewohnt sorgsam ausgewählt und kunstvoll angerichtet.
Zwei Brückenbauer in die Moderne prägten den ersten Konzert-Teil: Leos Janácek (1854 bis 1928) und Maurice Ravel. Letzterer hat in “Ma mère l’oye“ verschiedene Märchenmotive in seiner typischen Tonsprache umgesetzt - mal flirrend oder asiatisch perlend, mal träumerisch-verspielt oder auch sehr plastisch. Jiang verlieh sämtlichen Teilen des Werkes darüber hinaus eine melancholisch-traurige Grundnote, die bei Janacek dann existenzielle Dimensionen annahm. Die Satzbezeichnungen “Predtucha" (die Ahnung) und “Smrt“ (der Tod) seiner Klaviersonate 1.X.1905 lassen dem Interpreten auch gar keine andere Wahl. So zelebrierte Jiang ausdrucksstark im ersten Satz den Zwiespalt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen harmonischem Piano und dissonantem Fortissimo. Im zweiten Satz ließ er den Tod dann ruhig und überlegen auftreten, bis dieser seine Macht donnernd zur Schau stellte.
Nach der Pause ging es dann - zumindest auf dem Notenpapier - in die Barockzeit. Georg Friedrich Händels “Suite de pièce Vol. II Nr. 4“ in d-Moll (HWV 437) interpretierte Jiang noch durchaus formal und zurückhaltend. Doch insbesondere bei der bekannten Sarabande machte sich bemerkbar, dass der Pianist eben nicht an einem Cembalo saß, sondern an einem modernen Konzertflügel. Beim zweiten Satz aus Johann Sebastian Bachs Konzert in d-Moll nach Alessandro Marcello (BWV 974) steigerte der Pianist deutlich freier Innigkeit und Phrasierung. Und bei Bachs Chaconne aus der “Partita Nr. 2“ in d-Moll (BWV 1004) in der Klavierfassung von Ferruccio Busoni (1866 bis 1924) nahm das Werk durchaus spätromantische Züge an. Jiang interpretierte dennoch stimmig, respektvoll und vor allem brillant. Zum Abschluss gab es lang anhaltenden Applaus und Frédéric Chopins letzte Mazurka als Zugabe.”

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (04/2019)

Professionelle Leidenschaft

“… Zu einem Erlebnis wurden auch die “Souvenirs“ (op. 28), in denen Samuel Barber ironisch-heiter sechs Tänze aneinanderreiht. Von Walzer bis Tango werden dabei die bekannten Grundmuster raffiniert mit Disharmonien und modernen Auflösungen verfremdet. Beeindruckend war dabei, wie Jiang und Nosrati miteinander harmonierten, mit den Händen an den Tasten in- und übereinander griffen …”

Harald Holstein, Allgäuer Zeitung (04/2019)

Genial geordnetes Durcheinander

Jiang Artists Festival: Wenn gleich fünf Spitzenpianisten einen Kammermusikabend gestalten, dann kommt auf die Zuhörer einiges zu - allem voran eine sensationelle Uraufführung.

“Das war nicht weniger als eine pianistische Explosion, ein vierhändiges Brillantfeuerwerk, das Ewa Kupiec und Yi Lin Jiang da vor der Pause abbrannten. Und das Beste: Das Publikum beim dritten Konzert des Jiang-Artists-Festivals im Pianofactum-Flügelraum in Kaufbeuren war das erste überhaupt, das dieses Werk “Simplexity for four hands and a piano (or two)“ zu hören bekam. Komponist Randall Meyers, der Partner von Kupiec, war zur Welturaufführung in die Wertachstadt gekommen und zeigte sich - ebenso wie die Zuhörer im ausverkauften Konzertraum - “absolut zufrieden“ mit dem Gehörten. Dabei bezieht sich der Titel “Simplexity“ vielleicht auf den unmittelbaren Zugang zur Musik, den Meyers (Jahrgang 1955) zu einem der Grundsätze seines Komponierens erhoben hat. Simpel is dieses durch und durch zeitgenössische Werk dagegen in keiner Weise. Es begann mit einem beherzten Griff des Festival-Gründers Jiang in die Saiten des Flügels, dem noch mehrere folgen sollten. Dann setzte sofort ein energiegeladener, vierhändiger Dissonanzen-Sturm ein, der sich in wechselnden Intensitäten durch das Stück zog. So schnell toste der Notenstrom dahin, dass Kupiec und Jiang die Partitur vom Tablet-Computer spielen und die Interpreten selbst die nächste Seite mittels Fußpedal aufrufen musste.
”Simplexity” erinnert an die Tonsprache Alfred Schnittkes, aber es steckt natürlich vor allem ganz viel Meyers in diesen schon 2012 gesetzten Noten. Dieser ist nämlich auch als Schriftsteller, Regisseur und als Filmmusik-Komponist tätig. All das war dieser Uraufführung vielleicht nicht unmittelbar anzuhören. Aber während viele zeitgenössische Klassik-Werke die Zuhörer orientierungslos zurücklassen, entfaltete Meyers Schöpfung eine intuitiv erfassbare Dramaturgie und Faszination. Nach jeder dynamischen Verschnaufpause waren die Zuhörer gespannt, welche Wendung dieses Hochspannungs- und Hochgeschwindigkeits-Stück nun nehmen würde - und sie wurden bis zum abrupten Ende nicht enttäuscht. Dazu kam die verblüffende Exaktheit, mit der die Interpreten die enormen technischen und bisweilen akrobatischen Anforderungen dieser Komposition meisterten. Es folgte ungewohnt lang anhaltender Applaus für Kupiec, die als Klavier-Professorin an der Musikhochschule Hannover lehrt, und Jiang, der an ihrem Lehrstuhl als Dozent tätig ist.
Allein dieses musikalische Erlebnis hätte eigentlich für einen erfüllten Konzertabend gereicht. Doch Jiang hatte dafür gesorgt, dass sich an diesem Abend alle am Festival mitwirkenden Pianisten präsentieren konnten - und zwar durchwegs mindestens zu zweit am Instrument. Ein klug konzipiertes Konzertprogramm bot zur Einstimmung Franz Schuberts Rondo in A-Dur (D 951). Jiang und Zifan Ye interpretierten es locker-leicht und ließen die Finessen des Stücks eher beiläufig zu Gehör kommen.
Robert Schumanns “Bilder aus dem Osten“ (op. 66) für vier Hände, bewegten sich in der abgebrühten Interpretation von Schaghajegh Nosrati und Neringa Valuntonyte stets auf einem Grat zwischen Melancholie und Harmonie, zwischen durchaus deftiger Kraft und bewegter Emotion. Im zweiten Konzertteil durfte dann geschmunzelt und auch gelacht werden - auch wenn das pianistische Niveau nach wie vor enorme Höhen erreichte. Bei den sechs Teilen von Gabriel Faurés “Dolly“ (op. 56) für vier Hände wechselten Valuntonyte, Nosrati, Ye und Jiang als Interpreten fröhlich durch, sodass jeder mit jedem musizierte. Sergei Rachmaninovs “Zwei Stücke“ für sechs Hände spielten Valuntonyte, Nosrati und Ye wie aus einem Guss und für diese Besetzung verblüffend gefühlvoll. Und als Bonbon am Schluss drängten sich alle vier Pianisten an den Tasten und kosteten Albert Lavignacs (1856-1916) “Galopp-Marsch“ für acht Hände so herzhaft aus, dass er auch als Begleitmusik zu einem Slapstick-Stummfilm geeignet wäre.
Selten war ein Durcheinander der Stile, Tonsprachen und Interpreten so genial geordnet wie an diesem denkwürdigen Abend im Kaufbeurer Alleeweg.”

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (03/2019)

Fulminante Gala zum 70. der Konzertgesellschaft Gevelsberg

“… Schostakowitschs Klavierkonzert Nr. 1 op. 35 eröffnete den Konzertabend. Schostakowitsch (1906-1975) nannte sein 1933 komponiertes Werk eine „spöttische Herausforderung an den konservativ-seriösen Charakter des klassischen Konzert-Gestus“. Gleich zu Beginn zitiert er Beethoven, kokettiert mit einem Thema von Haydn, erweckt romantische Emotionen, auf die sogleich Brüche und ironische Anklänge folgen. Einzigartig in der Musikgeschichte ist die Besetzung mit zwei Soloinstrumenten. Der junge deutsch-chinesische Pianist Yi Lin Jiang am Klavier und Solotrompeterin Laura Vukobratović, Professorin an der Folkwang-Universität Essen, meistern ihre Parts großartig …”

Lilo Ingenlath-Gegic, Westfalenpost (11/2018)
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Reise nach Venedig

“… Diese Besonderheit ist aber im Grunde die Eigenschaft der Musik der Romantik schlechthin, wie sie auch bei Schumann zu finden ist. Dass der noch recht junge Komponist seine Sonate schließlich mit Fantasie überschrieb, ist ein deutlicher Hinweis darauf … Zwischen plastischen Fluten, hochemotionaler Empfindsamkeit, seelentiefem Sinnieren, galoppierender Rhythmik, einfühlsamem Gesang, verträumter Melancholie und triumphaler Bravour fand Jiang reichlich Nuancen, eine musikalische Dramaturgie zu entwerfen, die das Publikum auf eine Reise bis in Seelentiefen mitnahm …”

Reinhard Palmer, Süddeutsche Zeitung (08/2018)
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Drei ganz dicke Brocken

"Yi Lin Jiang präsentiert zum Abschluss gleich mehrere Herkulesaufgaben der Tastenliteratur. Er bewältigt sie verblüffend brillant. "Wann, wenn nicht beim eigenen Festival, sollte man so etwas einmal angehen?", sagte Yi Lin Jiang lächelnd, aber auch sichtlich angespannt. Während der Pause beim Abschlusskonzert des Jiang Artists Festival liegt ein dicker Brocken der Klavierliteratur schon hinter ihm und zwei nicht weniger fordernde vor ihm. Es ist wahrlich ein Mammutprogramm, das sich der Gastgeber da zum Finale der von ihm organisierten Konzertreihe im Flügelraum des Kaufbeurer Musikhauses Pianofactum vorgenommen hat. Am Ende wird es der 29-Jährige mit Bravour und komplett auswendig bewältigt haben, den begeisterten Applaus der rund 100 Zuhörer genießen, die sich im übervollen Veranstaltungsraum drängen, und noch zu einer ausladenden Zugabe ansetzen. 
Aber der Reihe nach. Den ersten Konzertteil nahm komplett Franz Schuberts Klaviersonate Nr. 20 in A-Dur (D 959) ein. Eines der letzten Werke des Komponisten, entstanden in seinem Todesjahr 1828. Jiang startet ungemein zupackend und kraftvoll in den ersten Satz. Dazu kam eine Klarheit und Schärfe, die das an und für sich liebliche Grundthema von Anfang an brach, ja konterkarierte, und nicht die Spur von romantischem Schmelz aufkommen ließ. Das Schreitmotiv des zweiten Satzes ließ der Pianist nach der Vorstellung zunächst einmal locker schlendern, bevor es dann umso heftiger ins ekstatische Torkeln kam und schließlich donnernd stürzte. Beim folgenden "Scherzo" hielt sich Jiang sogar in seiner Mimik streng an die Satzbezeichnung und genoss zusammen mit dem Publikum eine gewisse Leichtigkeit - aber stets im dramatischen Gesamtkontext dieses Schubert'schen Spätwerks interpretiert. Aus den einleitenden Klangkaskaden des Schlusssatzes blitzte dann maßvoll pointiert wieder das Anfangsmotiv der Sonate hervor. Doch die harmonische Idylle währte nur kurz, und man konnte Jiang die Freude an dessen Verfremdung, Dramatisierung und Verunklärung bis zum Finale ansehen ... Wenn man gerade Spätwerke großer Komponisten auch in einem biografischen Zusammenhang sehen kann, dann waren Jiangs verblüffend brillante Läufe bei diesem Konzert gleichzeitig auch faszinierend interpretierte Lebensläufe. Dabei zeigte er durchaus Respekt vor diesen Meisterwerken, aber keinerlei lähmende Ehrfurcht."

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (04/2018)
 

Zwischen Magie und Panik

"Streiks und Verletzungen bringen den Festivalleiter ins Schwitzen. Trotzdem plant er schon für nächstes Jahr. Eine "spannende" Woche sei das gewesen, berichtete Yi Lin Jiang am Sonntagabend erschöpft aber glücklich. Sein Experiment, Studenten und Weggefährten in seine Heimatstadt Kaufbeuren zu holen und große Klavierliteratur im intimen Rahmen des Pianofactum-Flügelraumes zu entwickeln und zu präsentieren, sei voll aufgegangen. Dass die Aufgabe als Festivalleiter aber so anspruchsvoll werden würde, habe der Pianist, der als Dozent an der Musikhochschule Hannover lehrt, aber nicht erwartet.
Das erste Konzert der russisch-österreichischen Pianistin und Dirigentin Alexandra Helldorff bildete mit einem Programm zwischen Barock und Spätromantik eine "bunte Eröffnung". Das "noble und festliche Spiel" seiner Kollegin haben einen dieser "magischen Momente" erzeugt, die er während dieser Tage immer wieder erlebt habe. "Dafür hat er sich schon gelohnt, das zu machen", ist sich Jiang sicher. Auch der Auftritt von Ofer Stolarov mit Suiten und Sonaten von César Franck, Claude Debussy, Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart und Sergej Rachmaninow sei rundum gelungen gewesen. 
Nur am zweiten Festivaltag wich die Magie dann zweitweise der Panik. Durch die Streiks im öffentlichen Dienst musste Jacopo Giovannini, der ebenfalls in Hannover studiert, mehrere Kilometer zum Bahnhof laufen, verpasste seinen Zug und kam erst am frühen Abend in Kaufbeuren an. Auf der Bahnfahrt wurde auch noch Giovanninis Arm eingeklemmt. So startete er abgekämpft und verletzt in den Konzertabend und konnte nur eine Auswahl von Chopins "Préludes" (op. 28) vortragen. Auch das weitere Programm musste spontan geändert werden, Als die Schmerzen zu stark wurden, sprang Gastgeber Jiang ein. Beide waren dann doch noch, wie geplant, vierhändig zugange. Dabei habe trotz aller Probleme wieder die Freude an der Musik Oberhand gewonnen - und die wolle er mit seinem Projekt den Kollegen und vor allem dem Publikum vermitteln ..."

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (04/2018)

 

Magie statt Perfektionismus

"Pianist ist ein sehr einsamer Beruf", sagt Yi Lin Jiang. Der 29-Jährige weiß, wovon er spricht. Denn seit seinem ersten Klavierunterricht hat der Kaufbeurer Kulturpreisträger eine rasante Karriere hingelegt. Zahlreiche Auftritte mit namhaften Orchestern und in berühmten Konzertsälen, seine erste, von der Kritik hochgelobte CD-Einspielung "Masques" und eine Dozentenstelle an der Musikhochschule Hannover kann Jiang inzwischen vorweisen. Doch der Markt sei hart umkämpft und oft bleibe angesichts der Konkurrenz und des Perfektionismus" im Klavierfach die Freude an der Musik auf der Strecke. Deshalb hat der in München geborene und in der Wertachstadt aufgewachsene Musiker mit Wurzeln in Schanghai ein neues, anderes Konzertformat ins Leben gerufen. Von 10. bis 15. April findet in Kaufbeuren das erste "Jiang Artists Festival" statt.
Yi Lin Jiang hat dazu einige Weggefährten und Schüler in seine Heimatstadt eingeladen. Unter dem Leitgedanken "Fünf Pianisten, sieben Nationen, eine Sprache" präsentieren Alexandra Helldorff aus Russland/Österreich, Jacopo Giovannini aus Italien, Ofer Stolarov aus Israel, Neringa Valuntonyte aus Litauen und Jiang selbst, der China und Deutschland repräsentiert, jeweils überhaus anspruchsvolle Programme. "Wir wollen zeigen, dass große Klavierliteratur nicht nur in großen Sälen funktioniert", sagt der Organisator. 
Vielmehr biete der Flügelraum des Kaufbeurer Musikhauses Pianofactum mit seinem maximal 70 Zuhörerplätzen die Möglichkeit, "mit dem Publikum in Beziehung zu treten". Die "Magie", die Begeisterung und Freude an der Musik sollen - sowohl bei den Pianisten als auch beim Publikum - klar im Vordergrund stehen. Und dafür eigne sich der intime Veranstaltungsort in der Wertachstadt viel besser als ein Saal in einer Großstadt, "wo dann schnell wieder der Wettbewerbsgedanke in den Vordergrund tritt". Äußeres Zeichen für diese partnerschaftliche Grundhaltung ist auch das besondere Konzertkonzept. Denn an jedem Abend steht ein Stück auf dem Programm, bei dem der jeweilige Pianist ein vierhändiges Stück zusammen mit Jiang vorträgt. "Ich möchte dabei auch meine Erfahrung an die jüngeren Kollegen weitergeben. Das ist etwas, was ich zu meiner Zeit vermisst habe", berichtet er. Die einzelnen Konzertprogramme, die mit prägnanten Schlagworten betitelt sind, hat Jiang zusammen mit den Pianisten und Ewa Kupiec erarbeitet. Die Klavier-Professorin an der Musikhochschule Hannover hat auch die Schirmherrschaft für das Kaufbeurer Festival übernommen. Ansprechpartner vor Ort war Pianofactum-Inhaber Ioei Hahn. "Er und die anderen Pianisten waren sofort begeistert von meinen Plänen, sodass die Sache innerhalb von einer Woche organisiert war", schwärmt Jiang, der den Entschluss, ein eigenes Festival auf die Beine zu stellen, im vergangenen Sommer gefasst hat. "Das war ein Ziel, was ich verwirklichen wollte, bevor ich 30 werde ..."

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (04/2018)

 

Klavierfestival bei "pianofactum" in Kaufbeuren

"Der umtriebige chinesisch-deutsche Jungpianist Yi Lin Jiang, der 1988 in München geboren wurde und seine Kindheit in Shanghai verbrachte, um nach einigen Jahren wieder nach Deutschland zurückzukehren, hat sich nun einer ganz besonderen Aufgabe gestellt: im Klavierhaus "pianofactum" in Kaufbeuren initiiert er vom 10. bis 15. April ein eigenes Festival mit jungen, fast noch gänzlich unbekannten aber interessanten Pianisten. Unter dem Motto "5 Pianisten, 7 Nationen, 1 Sprache" will er beweisen, dass Klavierkünstler aus unterschiedlichen Regionen der Welt zwar unterschiedliche "Dialekte" sprechen, wenn es um die großen Werke der klassischen Musik geht, aber letztendlich durch die Musik eine gemeinsame Sprache finden. Die Gegebenheiten für dieses Festival waren auch durch den Umbau des Klavierfachgeschäfts "pianofactum" in Kaufbeuren gegeben, wo man 2014 einen neuen Flügelsaal an das bisherige Geschäft gebaut hatte. Dieser Saal, der eigentlich zur Präsentation von Flügeln von Kunden gedacht war, hat sich mittlerweile zu einem kleinen Konzertsaal entwickelt, der nun auch das Festival von Jiang beheimaten wird. Yi Lin Jiang, der bei Karl-Heinz Kämmerling in Salzburg und Hannover studierte, und seinen Abschluss bei Ewa Kupiec erwerben konnte, ist mittlerweile selber Dozent in Hannover. Ihm ist - neben dem eigenen Spiel - daran gelegen, junge Pianisten vorzustellen, die man vielleicht noch gar nicht kennt, die aber interessant genug sind, sie einem Publikum zu präsentieren ... die Besonderheit in dem kleinen Flügelsaal von "pianofactum" in Kaufbeuren ist, dass man die Pianisten "hautnah" erleben kann, in einem intimen Rahmen, den es in dieser Form heutzutage nur noch selten gibt. Fast eine Art von Salonatmosphäre wird da entstehen. Alle Konzerte beginnen um 19:30 Uhr und man kann sicher sein, dass man unter diesen Jungpianisten sicherlich einige entdecken wird, die noch von sich Reden machen werden."

Carsten Dürer, PIANONews, Ausgabe 02-2018 (03/2018)
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Packende Inszenierung

"... Was bei Bach an Entwicklungen dem Notentext bereits immanent ist, bedurfte bei den beiden Werken im Höhepunkt des Konzerts der Auslegung: Chopins Polonaise-Fantasie As-Dur op. 61 und Beethovens vorausblickende Sonate c-Moll op. 111 gaben Jiang Anlass genug, seine dramaturgische Inszenierungsstärke spektakulär auszuspielen. Gerade in Beethovens Schlusssatz, der nur langsam und sachte in Bewegung gerät, um schließlich von Jiang zu einem nahezu visionären Finale geführt zu werden. Frenetische Ovationen."

Reinhard Palmer, Süddeutsche Zeitung (08/2017)
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Vom Schatten zum Licht

"... Seine Beethoven-Mondscheinsonate bewies spieltechnische Perfektion, aber auch eine enorme Musikalität und packende Ausdruckstiefe. Der berühmte Kopfsatz floss in seelentiefer Ruhe, das Allegretto strahlte freudig bewegt, das rasante Presto-Finale perlte in höchster Präzision, bestach aber auch mit reich changierender Klangsubstanz. Großer Applaus für einen großen Klavierabend."

Reinhard Palmer, Süddeutsche Zeitung (06/2017)
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13. Euregio Festival-Konzert

"Vehement gestaltete der in München geborene Pianist Yi Lin Jiang die drei Porträts, die Szymanowski unter dem Titel „Masques“ zusammenführte. Die Faszination des Polen für den Orient und das Mediterrane, die er von einer Reise nach Sizilien, Algerien und Tunesien in seine Heimat mitbrachte, schlug sich in den Figuren Scheherazade, Tantris le Bouffon und Don Juan nieder." 

Tom Bullmann, Neue Osnabrücker Zeitung (06/2017)

 

Die jungen Coolen

"Yi Lin Jiang und Andreas Schmalhofer lieben die Moderne - und die Kontrolle. Sie sind weniger die jungen Wilden, sie sind mehr die jungen Coolen. Bei ihrem Konzert im Flügelraum des Kaufbeurer Musikhauses Pianofactum bewiesen der Cellist Andreas Schmalhofer und der in der Wertachstadt bestens bekannte Pianist Yi Lin Jiang ihre überragende musikalische Klasse. Sie verblüfften aber auch mit einer überaus professionellen, fast schon interpretatorisch distanzierten Herangehensweise an das klug gewählte Konzertprogramm. Gleich beim einleitenden Adagio und Allegro (op. 70) von Robert Schumann gingen sie die hochromantisch-emotionalen Sätze absolut abgeklärt an. Egal, ob Träumerei oder expressiver Ausbruch - Schmalhofer und Jiang waren jederzeit die Herren über Ausdruck und Dosierung. Dies setzte sich nahtlos fort bei Jiangs Interpretation der Polonaise-Fantaisie in As-Dur (op. 61) von Frédéric Chopin. Ganz nach Belieben ließ er die Töne zart zerfließend oder hart durchgeschüttelt an die Ohren der Zuhörer im voll besetzten Ausstellungsraum dringen. Da blitzten Intellekt und auch Emotion durch, aber nicht Ungestümes und auch nicht Rührseliges. Mit Benjamin Brittens Sonate in C-Dur (op. 65) für Cello und Klavier präsentieren die beiden ein Stück, dessen teils sehr herbe, aber auch effektvolle Moderne den Interpreten sichtlich Spaß machte und den Zuhörern ein anregendes und aufschlussreiches Hörerlebnis bescherte. Auch bei Claude Debussys Sonate für Cello und Klavier in d-Moll war zu spüren, dass der Cellist und der Pianist in stets präzisem Zusammenspiel die Klippen und Tücken, aber vor allem die Reize neuerer Musik zu schätzen und zu verkosten wissen. Wiederum mit umfassendem Einblick in das Wesen des Stückes und entsprechender Souveränität. Zum Abschluss meisterten die jungen Coolen, beide noch keine 30 Jahre alt, mit Johannes Brahms' Sonate für Klavier und Cello Nr. 2 in F-Dur (op. 99) einen Kraftakt. Dabei ließen sie es vor allem dynamisch durchaus deftig-heftig angehen und reizten den einen oder anderen Spielraum aus - über die Stränge schlugen sie natürlich nicht. Lang anhaltender Applaus und etliche Bravo-Rufe."

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (02/2017)

 

Naturlyrik zwischen Brahms-Stücken

" ... War bei Brahms das erzählerische Moment vorherrschend, so trat Franz Schubert in seinen Drei Klavierstücken D 946 auch als Kämpfer in Erscheinung. Teils wehrhaft, teils resignativ lassen die Stücke an einen zerrissenen Menschen denken, der trotz großer Meisterschaft immer noch auf der Suche ist. Mit gutem Gespür lotete Yi Lin Jiang die häufigen Stimmungswechsel aus, besorgte überzeugende Übergänge und gab seinem Ross auch mal ordentlich die Sporen, ohne dabei zu überdrehen. Vergleichbares gilt für die Polonaise-Fantasie op. 61 von Frédéric Chopin. Zunächst dauerte es einige Zeit, bis sich der typische Rhythmus des Prozessionstanzes zeigen konnte, dann jedoch kamen wunderschöne Erzählstränge zum Vorschein mit vielen klavieristi­schen Feinheiten und zartesten Stimmungsbildern. Weitere Dichter kamen zu Wort. In „Morgenphantasie“ gedachte Friedrich Schiller auch des Lebensabends, und in „Der Traum“ von Wilhelm Busch wurde das lyrische Ich aus zunächst lieblichen Sphären in einen Albtraum versetzt. In die Gegenrichtung führte Joseph von Eichendorffs „Abend“, wo „die wilde Brust“ zu ihrem Ursprung in der Natur fand und darob glücklich – auch höchst romantisch – „aus Herzensgrund“ weinen durfte. Zwei Parabeln, Goethes „Zauberlehrling“ und Rilkes „Die Nacht“ vervollständigten den Part von Jürgen Wegscheider. Grimmig auffahrende Anfangsakzente führten in die Sonate c-Moll op. 111 von Ludwig van Beethoven. Gemessen an der Zahl der Sätze, nämlich nur zwei, könnte man von einer Unvollendeten sprechen – aber wie vollendet ist das Werk! Beethovens Vorschrift entsprechend führte Yi Lin Jiang maestoso durch das Kolossalgemälde des ersten Satzes, um dann zu einer an ein Wunder grenzenden Arietta zu gelangen. In fünf Variationen wurde die eindringlich leise, ständig wiederkehrende Floskel Dim-dada zu einem wehmütigen Abschiedswinken, dem der Pianist eine graziöse Leichtigkeit zu geben und dabei bis zum Schluss eine unglaubliche Spannung aufrecht zu halten wusste ..."

Eva Heer, Südwest Presse (12/2016)
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Klassik jugendlich aufgefrischt

“... Höhepunkt des Konzertabends: Franz Liszts (1811-1886) Klavierkonzert in Es-Dur, sein erstes. Eine “Tonschmiererei” nannte es 1855 die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung. Nun, darüber kann man geteilter Meinung sein, gehört dieses Werk doch zum festen Repertoire fast aller Pianisten von Rang. Und mit Yi Lin Jiang an den Tasten geriet es zur umjubelten Sensation. Natürlich kennt der 28- jährige gebürtige Münchner die legendäre Einspielung seines Landsmannes Lang Lang in der Londoner Prince Albert Hall – auf Youtube rund zwei Millionen Mal aufgerufen –, nimmt aber deutlich Abstand von der zwar technisch brillanten, aber deutlich überzuckerten Fassung des amtierenden Klavierhelden unserer Zeit. Er findet in seiner Interpretation zu einem Gespür für den richtigen Moment im richtigen Drive, befreit sich aus Dogmen jedweder Art, formt Liszts Tondichtung erfrischend klischeefrei zu einer klingenden Delikatesse. Melancholisch verhalten in den lyrischen Phasen, bringt er sein Instrument trotzdem zum Singen, formuliert Hauptmotiv und Kadenzen zu prägnant gemeißelten Figurationen, findet in kantablen Themen zu kompromisslos ungeschmäcklerischem und antisentimentalem Ton. Geht, auch innerhalb dramatischer Konflikte, auf das mitziehende Orchester ein, lässt dem Oboen- und Geigensolo Platz, den tremolierenden Streichern, und erhebt seine Stimme im Scherzo zu rauschhafter, technisch bestechender Eleganz und im Allegro molto Finale zu donnernder Oktavenbrillanz und triumphaler Tastenleuchtkraft ...”

Helmut Kircher, Augsburger Allgemeine (02/2016) 
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Riesenapplaus für Yi Lin Jiang und Orchester

“Ein Probennachmittag mit dem Orchester der Gymnasien Schwabens (OGS). Der Dirigent hat noch Wünsche bezüglich der Phrasierung. Der chinesische Pianist Yi Lin Jiang wartet indes geduldig am Flügel, während Stephan Dollansky seiner Hundertschaft an Musikern akribisch letzte Feinheiten im Klavierkonzert Nr. 1 Es-Dur von Franz Liszt erklärt. Vier Tage hatte das Orchester Zeit gehabt, ein hochklassiges Programm mit Werken der Romantik zu gestalten. Im Richard-Wengenmeier-Saal der Musikakademie wird dann zusammengeführt, was zuvor in Heimarbeit geübt und in Registerproben für die einzelnen Instrumentengruppen sorgfältig erarbeitet wurde. Viel Arbeit für Dollansky und sensibles musikalisches Empfinden sind vonnöten ... Der Pianist Yi Lin Jiang ist zu großer künstlerischen Reife gelangt. Das Es-Dur Klavierkonzert von Franz Liszt geriet denn auch zum Höhepunkt des Konzertes. Die donnernden Passagen und schier endlosen Trillerketten gestalten sich zu einem Erlebnis. Alles auswendig spielend, hatte der Solist dieses Konzert extra einstudiert. Es lag nicht in seinem Repertoire! Riesiger Applaus, auch für das sorgfältig begleitende Orchester und als Zugabe eine Bearbeitung für Klavier solo von George Gershwins Lied “The girl I love” ...”

Peter Steinbach, Allgäuer Zeitung (02/2016) 

 

Heidelberger Klavierwoche: Virtuosität und Geist

“... Einen großen Erzählton eröffnete der Pianist ebenso in den Klavierstücken op. 118 von Brahms, ließ wunderbare Lyrik mit flammender Passioniertheit wechseln. Energiereich aufgewühlt war sein Spiel im Allegro, kraftvoll obsessiv in der Ballade, um daneben großen Zauber zu entfalten, wie im letzten Intermezzo, das er in transzendierende Sphären führte. Zum Abschluss: Bachs “Chaconne” aus der d- moll-Partita in der Bearbeitung von Ferruccio Busoni. Dabei zeigte sich noch einmal exemplarisch die Extraklasse des jungen Pianisten, der bestechende Technik und tiefe geistige Durchdringung vorbildlich verband. Quirlig verspielten Witz und Heiterkeit ließ er zwischen dem virtuosen Anstürmen der donnernden Oktaven tönen, rasant loderndes Laufwerk mündete in traumhafte Lyrik von wundersamem Farbreichtum. Insistierende, obsessive Bravour und tiefe Introspektion ließ er dabei aufeinandertreffen. Mit einem innig musizierten langsamen Satz von Bach/Marcello bedankte sich der Pianist für den begeisterten Applaus und ließ mit einer Gershwin-Bearbeitung (“The girl I love”) noch eine zweite Zugabe folgen: spielerisch leicht und vergnüglich, mit hochvirtuosen Ornamenten angereichert.”

Rainer Köhl, Rhein-Neckar-Zeitung (01/2016) 
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Euregio Musik Festival

“Der anspruchsvollste und spannendste Beitrag des Abends ist der von Yi Lin Jiang. Er hat einen sehr selten gespielten Komponisten ausgewählt: Karol Szymanowski. Dessen dreisätzige „Masken“ von 1916 bieten ihm die Gelegenheit zu Klangzauber und großer Expressivität in einer Musik voller Dissonanzen, Zerrissenheit und jäher Kontraste. Immer neue Schattierungen und enorme Stimmungswechsel bis hin zur Brutalität verwirklicht er, nebenbei verlangt auch diese Musik ausgesprochen akrobatische Finger. Die unglaublich komplexe Struktur bewältigt er mit absoluter Bravour.”

Neue Osnabrücker Zeitung (05/2015) 

 

Russland – Magie und Moderne

“... Das Publikum im Kongress am Park ließ sich gern entführen in die unterschiedlichen Bereiche russischer Sinfonik – Märchen, Magie und auch Moderne. Für letztere steht neben Schostakowitsch vor allem Prokofjew, dessen Schaffen aber längst einen klassischen Status angenommen hat. Sein 3. Klavierkonzert vereint Prokofjews teils wilden, teils raffinierten Gestus zwischen kühler, sachlicher Ästhetik, überbordenden Farbströmen und wilder Archaik. Bergius und sein Orchester breiteten mit Präzision und geschmeidigem Bewegungsverlauf das Klangbett für den überragenden Solisten Yi Lin Jiang. Der 27-jährige, in München geborene Shanghaier Pianist wusste mit dem Angebot viel anzufangen. Sein Spiel ist in das Orchester eingebunden; die virtuose Pranke in den märchenhaft wispernden, ekstatisch ausbrechenden Prokofjew’schen Fantasien stellt er in den Dienst des auf- und abwogenden Klangstroms. Die nach Beifallsjubel erfolgten Zugaben (Skrjabin und ein betörend swingender Gershwin) untermauerten seine Tastenkunst ...”

Manfred Engelhardt, Augsburger Allgemeine (04/2015) 
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Nahe an der Hexerei

“Kulturring – Schwäbisches Jugendsinfonieorchester bewältigt unter Allan Bergius anspruchsvolles russisches Programm mit verblüffender Perfektion und überquellender Musikalität. So überquellend wie die Besetzung auf der Bühne (die Streicher füllten sogar die seitlichen Bühnenrampen), so überquellend in Musikalität und Vitalität war das Konzert des Schwäbischen Jugendsinfonieorchesters (SJSO) im ausverkauften Kaufbeurer Stadtsaal. Überquellend auch der Applaus. Die Krönung war der Auftritt von Yi Lin Jiang als Klaviersolist. Vom ersten Ton an war der Kaufbeurer Kulturpreisträger nur noch Musik. Er ließ die Klänge fließen und strömen. Anspruchsvolle Kompositionen hatte Allan Bergius in diesem russischen Programm gewählt, das das Orchester auf Einladung des Kulturring in der Wertachstadt präsentierte. Doch der Dirigent weiß, was er seinem Klangkörper zumuten kann. Die Teenager musizierten wie die Profis ... Das Staunen ging weiter. Sergei Prokofjews (1891 bis 1953) drittes Klavierkonzert ist sein beliebtestes. Mit Yi Lin Jiang, dessen Wurzeln in Schanghai liegen, der aber der Wertachstadt eng verbunden ist, stand ein Solist zur Verfügung, der dieses virtuose Werk zum puren Genuss machte. Nie hatte man Sorge, da könnte irgendwas aus dem Ruder laufen. Dass Yi Lin Jiang sehr wohl aufgeregt war, wie er im Gespräch nach dem Konzert verriet, war überhaupt nicht zu spüren. Locker und expressiv vertraute er seine Gestik und Mimik dem Fluss der Musik an, war gleichzeitig aber immer hellwach beim Dirigenten. Dafür gibt es nur ein Wort: genial. Freude und Spaß an der Musik, an der Herausforderung einer komplexen und vertrackten, aber auch witzigen und geistreichen Partitur – das hatte nicht nur der Solist, sondern auch das Orchester. Ein Beispiel, stellvertretend für viele bewegende Momente: Wie das feierlich schreitende, barocke Gavotte-Thema des zweiten Satzes, nachdem es verschiedene Emotionen durchmachte, in der vierten Variation ins Jenseits hinüberzieht, verdunstet und dann eine Auferstehung erlebt – das war große Kunst, die Lebenswege, Seelen-Entwicklung beschreibt und nachzeichnet. Türen in die Tiefe, in spirituelle Dimensionen öffneten sich immer wieder an diesem Abend. Mehr kann Musik nicht leisten. Mit der Zugabe, solo am Klavier, öffnete Yi Lin Jiang nochmals neue Räume. “Prélude und Nocturne für die linke Hand” schrieb Alexander Skrjabin (1872 bis 1915), weil er seine Rechte durch übertriebenes Üben geschädigt hatte. Musik mit Handicap, die trotzdem oder gerade deshalb zum Erlebnis wurde. Wie man mit nur einer Hand Melodie und Begleitung gleichzeitig realisieren, dazu mit virtuoser “Beinarbeit”, mit ausgeklügelter Pedaltechnik einzelne Töne nachklingen lassen kann, andere hingegen nicht – das sind pianistische Geheimnisse, die sich dem Verständnis Normalsterblicher entziehen ...”

Markus Noichl, Allgäuer Zeitung (04/2015) 

 

Unverhülltes Können

“Kulturring – Pianist Jiang Yi Lin meistert mit “Masques” ein überaus anspruchsvolles Programm mit Souveränität, ja Coolness. Vom Fasching zur klassischen Klaviermusik führt eigentlich kein Weg – oder vielleicht doch. Das Konzertprogramm “Masques” (Masken) des jungen Pianisten Jiang Yi Lin hat natürlich kaum etwas mit der närrischen Zeit und noch weniger mit schenkelklopfender Ausgelassenheit zu tun. Trotzdem brachten die vom Kaufbeurer Kulturpreisträger klug ausgewählten Stücke bei seinem Konzert im Flügelraum von Pianofactum dieses Grundbedürfnis des Menschen nach Maskerade und Verwandlung tiefgründig zum Ausdruck. Seine durchaus eigenständigen Interpretationen der anspruchsvollen Stücke trug Jiang Yi Lin in brillanter Spielweise vor.

Der Künstler (Jahrgang 1988) mit chinesischen Wurzeln und engen Verbindungen in die Wertachstadt hat inzwischen sein Musikstudium abgeschlossen. Ende 2014 spielte Jiang Yi Lin seine erste CD ein. Deren Programm präsentierte er auf Einladung des Kulturrings nun auch in Kaufbeuren.

Im Mittelpunkt standen drei Stücke musikalischer Schwergewichte der Moderne, die jeweils mit “Masques” betitelt sind. Jiang Yi Lin hat Alexander Skrjabins op. 63, Nr. 1, Claude Debussys “Masques” und Karol Szymanowskis op. 34 zu einer stimmigen und überbordend vielseitigen Suite zusammengefasst. Er arbeitete Skrjabins Wechselbad der Gefühle zwischen existenzieller Angst und hehrer Freude emotional wie technisch sehr kontrolliert heraus. Debussys “Masken” lebten vor allem von der imposanten rhythmischen Gestaltung, die klar die Oberhand über die schwebend- impressionistischen Passagen behielt. Diese in moderner klanglicher Drastik und kompositorischer Finesse herausgearbeitete Dialektik zwischen Anspruch und Sein, zwischen vor und hinter der Maske ist auch das Kennzeichen von Szymanowskis musikalischer Beschreibung dreier literarischer Gestalten. Doch der Pole gestaltete die Schilderungen von Scheherazade (“1001 Nacht”), Tantris le Bouffon und Don Juan kompositorisch so komplex und fordernd, dass jeder Interpret die Masken fallen lassen und sein ganzes Können offenbaren muss. Jiang Yi Lin tat dies konzentriert, aber durchweg souverän.

Dieses Selbstbewusstsein wandelte sich bei den einleitenden “Drei Klavierstücken” (D 946) von Franz Schubert gar in jugendliche Coolness. Da waberten keine romantischen Klangschleier über den Noten. Jiang Yi Lin bot einen klaren späten Schubert, der sein persönliches Drama in bisweilen heitere Töne kleidete. Zum Ende hin blieb das Niveau unvermindert hoch, auch wenn Franz Liszts “Après une lecture de Dante”, eine Vertonung des Infernos aus der “Göttlichen Komödie”, im Vergleich zum zuvor Gehörten schon fast eingängig daherkam. Mit der Zugabe bewies der Pianist schließlich, dass aus China nicht nur exzellente Interpreten kommen, sondern auch bemerkenswerte moderne Komponisten. Mit Lü Wenchengs “Herbstmond über dem ruhigen See” fielen sämtliche musikalischen Masken, und die dramatischen Affekte mündeten in einen ehrlichen idyllisch-versöhnlichen Abschluss mit unverkennbar asiatischer Note. Tosender Applaus für eine technisch, interpretatorisch und auch konditionell beeindruckende Leistung.

Martin Frei, Allgäuer Zeitung (01/2015) 

 

Gewagt, gewonnen

“... Vom Neoklassizismus danach dann der Sprung zurück in die Klassik, und auch hier, im Dienste an Ludwig van Beethovens 3. Klavierkonzert in c-Moll, op. 37, erneut ohne vordergründigen Anspruch, sich besonders ins Rampenlicht zu stellen. Als eine sowohl einst bei Karl-Heinz Kämmerling wie in Sachen alter Musik durch Wolfgang Brunner ebenfalls als Pianistin ausgebildete Musikerin assistierte Alexandra Helldorff ihrem in München geborenen Kollegen chinesischer Abstammung Yi Lin Jiang. In ausgewogenem Wechsel der kammerorchestralen Begleitung zum Flügel, auch innerhalb in der Balance mit den hinzugetretenen Bläsern. Aufmerksam Jiangs gleichermaßen in den Ecksätzen brillant wie im Largo differenziert introvertiertem Nachsinnen folgend. Ein voller Erfolg mit entsprechendem Jubel.”

Horst Reischenböck, DrehPunktKultur Salzburg (03/2013) 
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Piano Campus à Pontoise

“En finale, on retiendra notamment la puissante vision du Chinois Yi Lin Jiang dans Après une lecture de Dante de Liszt ...”

Laure Gramont, La Lettre du Musicien (02/2013)